10.08.08

Pennergame

Witzig-provokant oder diskriminierend? Anstoss zum Nachdenken oder Anzeichen von weiterer Verrohung der Gesellschaft? - und darf man das überhaupt?
Ihr habt richtig gelesen; es nennt sich tatsächlich Pennergame und ist ein öffentliches, kostenloses Browsergame, was in die Kategorie Strategiespiel einzuordnen ist. Es funktioniert nach dem gleichen Prinzip, wie das Schamhaar-Spiel. Auf der Internetseite wird der Surfer mit folgenden Worten empfangen: "Du bist ein untalentierter Penner am Hamburger Hauptbahnhof und kannst weder Lesen noch Schreiben.
Doch du hast das Ziel endlich Reich zu werden. Lerne Lesen und Schreiben um endlich Plakate vor dir aufzustellen um auf dich aufmerksam zu machen.
Lerne Gitarre spielen um Leute zu beeindrucken, miete dir einen Einkaufswagen um Pfandflaschen zu sammeln, werde Trickbetrüger und klaue anderen Menschen Uhren, Brieftaschen und Schmuck." Das Ziel besteht für die Spieler sich vom "Penner" zum Besitzer einer Villa hochzuarbeiten.
Spielekenner wissen, hier wurde das altbekannte Konzept vom Tellerwischer zum Millionär von Strategiespielen, wie z.B. dem c64-Spiel “From Rags to Riches” in eine neue Kulisse gesetzt.
Hiermit wurde ein Spiel geschaffen, was eine Menge Angriffsfläche für Kritik bietet. Allem voran wäre die abwertende Bezeichnung "Penner" für Obdachlose zu nennen. Weiter geht es mit dem Spieleablauf, in dem alle Untugenden, die sich immer wieder mit dem Phänomen der Obdachlosigkeit in Zusammenhang bringen lassen, wie etwa das Saufen, Prügeln, Stehlen, in diesem Prinzip zur klischeeartigen Lebensart der Obdachlosen festzementiert wird. Das schnelle Gegenargument kennen wir alle: Es ist doch nur ein Spiel. Aber dagegen lässt sich die Behauptung oder Vermutung des Unvermögens von Spielern setzen, die Realität eindeutig vom Spiel zu unterschieden.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Spam von Bettellinks. Das sind Links von einzelnen Spielern, die zu diesem Pennergame führen und dem Spieler eine Spende an Spielgeld einbringen.
Meine Meinung:
Die Neuauflage eines alten Konzepts mittels einer veränderten Kulisse ist an sich schon mal nichts ganz tolles. Das Brechen von Tabus, um den Eindruck zu erwecken, es würde sich um etwas noch nie dagewesenes handeln, ist auch keine Neuerfindung. Tabus wurden schon viele gebrochen und nun sind die Obdachlosen dran - das gab es so noch nicht und die können sich auch nicht gegen die Herabwürdigung und Instrumentalisierung wehren. Was mir an diesem Vorgehen nicht passt, ist, dass ausgerechnet Menschen, denen es verdammt schlecht geht, zu Spielfiguren degradiert werden, diese mit einem miesen Schimpfwort betitelt werden, sogar Bilder von Obdachlosen zu sehen sind. Für mich sieht es aus, als würden sich die Spieler auf deren Rücken amüsieren und die Spielebetreiber mit ihnen ihr Geld verdienen.

Update 31.10.2008:
Nun, wo das Online-Game ca. drei Monate im Netz steht und sich grosser Beliebtheit erfreut, wurde auch die offizielle Presse aufmerksam.
ZDF - Bericht in Heute von/mit Thorsten Schaubrenner auf Youtube

Update 14.11.2008:
SPD-Abgeordnete Ksenija Bekeris fordert Einstellung des Spiels.
Die Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ksenija Bekeris hat den Antrag eingereicht, um für die Einstellung des Pennergames zu sorgen, weil sie darin einen Verstoss gegen den §3 unseres GG sieht und konkret gegen die Würde obdachloser Menschen.

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